Ein Mensch betrachtet unter einem Mikroskop eine Probe auf einem Holztisch, daneben liegt ein aufgeschlagenes Bestimmungsbuch mit Abbildungen von Köcherfliegen.

Veröffentlich am 20. Juni 2025

Citizen Science an der Stadt-Leutra

Sonnabendmorgen, 9 Uhr, schon jetzt ist es warm, 33 °C sagt der Wetterdienst für heute voraus. In einer Stunde soll es losgehen. Wir beteiligen uns zum zweiten Mal in diesem Jahr am Citizen-Science-Projekt FLOW.

Diesmal untersuchen wir einen Abschnitt der Stadt-Leutra, und wollen Antworten auf die drei wichtigen FLOW-Fragen finden: Wie sehen Uferstruktur und nahes Umfeld des Baches aus? Wie hoch ist die Konzentration bestimmter chemischer Stoffe im Wasser? Welche wirbellosen Tiere leben im Bach?

Die Leutra entspringt östlich von Großschwabhausen, sie fließt durch den Schwabhäuser Grund ins Mühltal und erreicht dort die Siedlungsgrenze von Jena. Bis zur Mündung in die Saale südwestlich des Paradiesbahnhofs legt sie rund 8 km zurück. In der Stadt hat es der Bach nicht leicht: Seine Ufer sind über weite Strecken befestigt, stellenweise auch die Bachsohle, ab dem Carl-Zeiss-Platz wird er auf einer Strecke von rund 500 m in eine unterirdische Röhre gezwängt.

Vorbereitungen

Bevor wir mit der Untersuchung beginnen können, muss alles vorbereitet werden: Ein Pavillon wird aufgestellt (als Schattenspender), ebenso Klapptische und -bänke (als Arbeitsplätze), Binokulare werden eingerichtet, die Utensilien für die Untersuchung der Wasserchemie bereitgelegt, außerdem Eimer, Siebe und Schüsseln für das Durchsuchen der Kescherproben. Das klingt nach viel, geht aber gut von der Hand. Wir wissen inzwischen, was zu tun ist, müssen uns nicht mehr groß absprechen. Trotzdem: Als die Vorbereitungen abgeschlossen sind, ist es fast 10 Uhr. Höchste Zeit, anzufangen. Inzwischen sind alle, die heute mitarbeiten wollen, eingetroffen und nach einer kurzen Anfangsbesprechung und der Einteilung der Gruppen für die drei FLOW-Methoden, geht es an und in den Bach.

Zwei Personen stehen an einem Tisch im Freien und untersuchen verschiedene Insektenproben in Schalen, während sie in Unterlagen blättern.

Mittagspause: 30 °C werden es inzwischen sein. Zum Glück kann man die Füße in das kalte Wasser der Leutra halten. Die Gespräche kreisen um die ersten Ergebnisse. In den Kescherproben wurden unter anderem Steinfliegenlarven und Strudelwürmer gefunden, was ein Indiz für eine gute Wasserqualität ist. Die Köcherfliegenlarven machen sich bislang rar. Sind wir vielleicht zu spät dran und die meisten Köcherfliegen sind schon geschlüpft? Haben wir die jüngeren Entwicklungsstadien übersehen? Rätsel geben auch zwei chemische Wasserwerte auf: Die Messergebnisse für die Konzentration an Phosphat (90 mg je Liter) und Nitrat (3 mg je Liter) sind ungewöhnlich hoch. Ursache könnten Düngemitteleinträge aus der Landwirtschaft sein, aber auch Einleitungen aus dem Siedlungsgebiet.

Unerwartete Hilfe

Der Pavillon, die Tische und Bänke stehen an einem Weg, der entlang der Leutra von Jena-West ins Stadtzentrum führt. Passanten sprechen uns an, interessieren sich für unsere Arbeit, vor allem aber für die Leutra. Geht es ihr gut? Ein dreijähriges Mädchen betrachtet interessiert eine Schale mit den Resten einer Kescherprobe, darin verborgen sind winzige Schneckenhäuser. Es nimmt eine Fedestahlpinzette in die Hand und hilft uns verblüffend geschickt und sehr konzentriert, die Schneckenhäuschen in eine kleinere Schale zu sammeln. Die Mutter wartet erst geduldig, wird dann aber doch unruhig. Schließlich gewinnt die Aussicht auf ein Eis gegen die Schnecken.

Eine Insektenlarve unter einem Mikroskop auf hellem Hintergrund.

Gegen 16 Uhr haben wir es geschafft: Alle Kescherproben sind durchgesehen, Eintagsfliegenlarven, Schnecken und anderen Tiere sortiert, bestimmt, gezählt und fotografisch dokumentiert. 21 verschiedene Artengruppen stehen am Ende in der Liste. Zusammen mit den Daten zur Gewässerstruktur und Wasserchemie wird die Liste der Bachbewohner in die FLOW-Datenbank eingetragen. Mit den Ergebnissen der anderen rund 80 FLOW-Gruppen in Deutschland tragen sie zu einem besseren Wissen über den Zustand der Bäche im Land bei.